Vollgepumpt mit gefährlichen Mixturen - Wie Jugendliche im Radsport dopen
Bayerischer Rundfunk
report MÜNCHEN
Sendung vom 17.07.2006
Vollgepumpt mit gefährlichen Mixturen -
Wie Jugendliche im Radsport dopen
Autoren: Claudia Stewering, Klaus Wiendl
Das bittere Ende des Radsport-Idols Jan Ullrich. Einst bei der Tour de France gefeiert – jetzt kein Vorbild mehr für die Jugend. Letzte Vorbereitungen fürs Zeitfahren. Die U17-Junioren vom Radsport Team Lübeck starten bei den Meisterschaften der Nordverbände in der Nähe von Rostock. Für den 15-jährigen Finn-Niklas ist es heute das erste Rennen.
Der Trainer Gert Hillringhaus zu seinem Fahrer:
„Wenn du merkst, die Beine haben Kontakt zur Strasse über Kette, über Reifen, gibst du Vollgas, fährst so, wie du fährst, schön schnell bitte!“
Fahrer: „Ja, werde ich versuchen!“
Die Welt der Profis ist für sie noch weit weg, das große Geld spielt keine Rolle. Doch schon im Jugendbereich wird ein Leistungsrückgang oft mit körperlichen Schwächen diagnostiziert – und dann greifen Trainer zu eher unkonventionellen Methoden.
Dazu Gert Hillringhaus, Radsportteam Lübeck:
„Ich weiß, dass im Jugendbereich, weil ich es selber erlebt habe, bei Rundstreckenrennen normal Wasser getrunken wird und in der letzten Flasche ist dann etwas anderes drin. Das wird dann auch so ein bisschen heimlich gemacht. Und ich habe einen Betreuer gefragt, was er da dem Fahrer gibt. Ja, da ist Wasser drin, Cola und ein bisschen Sekt und ein Aspirin. Und ich sage: Warum denn dieser Cocktail? Und er sagt: Was kann dem Jungen denn besseres passieren, als dass er hell wach ist, keine Schmerzen spürt und leicht einen im Tee hat. Und er war deutlich unter 16. Und da hört für mich der Sport auf und da fängt Doping an.“
Valkenburg in den Niederlanden am vergangenen Samstag – Europameisterschaften der U19-Junioren im Straßenrennen. Hier locken bereits Preisgelder, mit dabei ist auch der deutsche Kader. Wir wollen wissen, wie sie – sollten sie eine Profi-Karriere einschlagen - zum Thema Doping stehen.
Felix Rinker, Junioren-Team Deutschland:
„Das liegt bei jedem, ob er Dopingmittel nimmt oder nicht. Das muss jeder für sich rausfinden, ob er das nehmen will.“
Reporter:
„Ist die Versuchung groß, es zu nehmen, wenn man sieht, dass die anderen, in anderen Ländern es nehmen?“
Felix Rinker, Junioren-Team Deutschland:
„Viele Profis haben die Aussage getätigt, wenn die dopen, muss ich auch dopen, um eben auf dem gleichen Leistungsniveau zu bleiben.“
Nils Plötner, Junioren-Team Deutschland:
„Doping ist jedenfalls eine Sache, die man selber entscheiden muss. Aber ich denke, wenn es dazu kommen würde, wenn mich jemand fragen würde, würde ich, denke mal, eher aufhören als wie weiterzufahren.“
Doch gerade die Jugend ist besonders gefährdet, denn regelmäßige Trainingskontrollen finden nicht statt. Und bei fast 90 Prozent der Rennen wird nur sporadisch nach verbotenen Substanzen gesucht und damit hat die kriminelle Doping-Szene leichtes Spiel.
Dr. Helmut Pabst, Sport-Mediziner sagt dazu:
„Ich kenne keine Sportart, wo das nicht der Fall sein sollte. Deswegen kann man für niemanden die Hand ins Feuer legen und sagen, die sind sicher sauber. Das kann ich mir nicht mehr vorstellen.“
So wurde auch im internationalen Jugendradsport das leistungssteigernde EPO eingesetzt.
Dr. Roland Augustin, Nationale Anti Doping Agentur (NADA) berichtet:
„Es gibt allerdings auch eine Untersuchung aus Italien, die vor einigen Jahren durchgeführt worden ist, wo man gerade im U23-Bereich gezielt auf EPO untersucht hat und dort sehr, sehr erschreckende Zahlen zu Tage gebracht hat. Wo doch eine Reihe von Fahrern mehr als normalerweise diese Substanz genommen haben.“
In Deutschland allerdings sind die etwa 50 Dopingkontrolleure vielfach machtlos. Sie sammeln zwar die Urinproben der Sportler ein, doch sei es schwierig an die Netzwerke der Doper heranzukommen und vieles laufe an ihnen vorbei, war auf ihrer Tagung zu hören - in Kreischa bei Dresden. Deutliche Kritik am Dopingkontrollsystem übt auch der ehemalige Radrennfahrer Achim Schmid, jetzt Dozent an der Sporthochschule Köln.
Dr. Achim Schmid, Sporthochschule Köln sagt dazu folgendes:
„Der wichtigste Punkt ist, es gibt immer wieder neue Substanzen auf dem Markt, die nicht nachweisbar sind, somit haben die Fahrer, sofern sie über das finanzielle Potenzial verfügen, immer wieder Möglichkeiten, sich mit Substanzen zu versorgen, die nicht, definitiv nicht nachweisbar sind. Zum anderen wird mit Mikrodosen gedopt, täglich quasi, so dass auch dort vielfach die Grenzwerte nicht erreicht werden. Zum anderen sind die Kontrollen vorhersehbar für die Fahrer, sofern sie kleine Rennen fahren, brauchen sie sich überhaupt keine Sorgen zu machen.“
Der ehemalige Radprofi Rolf Järmann beobachtet die Entwicklung mit Sorge. Der Schweizer hat Mitte der 90er Jahre selbst Erfahrungen mit Doping gemacht. Als er mit den anderen Fahrern aus seinem Team nicht mehr mithalten kann, greift auch er zu EPO. Der Fluch am ganzen: schnell kommen die Erfolge. Seine Warnung richtet sich an die Nachwuchsfahrer.
Rolf Järmann:
„Da ist es total verkehrt, mit Dopingmitteln zu hantieren. Auch weiß man, dass die jungen Sportler sicher viel weniger unter Kontrolle sind von den Ärzten und dass sie auch viel weniger wissen und wenn man weniger weiß, dann wird es gefährlich für den eigenen Körper. Und vor allem, wenn der Körper noch nicht ausgewachsen ist, sollte man eigentlich jedes Experimentieren unterlassen.“
Experiment „Doping“: für diese oft noch jungen Fahrer war es ein tödliches. Häufig ereilte sie der Tod in der Ruhephase, vor oder nach dem Rennen. Eine deutliche Warnung an den Nachwuchs im Radrennsport.