Arafats geheime Millionen - Sein Ex-Finanzchef packt aus
Bayerischer Rundfunk
report MÜNCHEN
Sendung vom 19.07.2004
Arafats geheime Millionen -
Sein Ex-Finanzchef packt aus
Autoren: Klaus Wiendl und Özlem Özgürgil
Wütende Proteste in Gaza, gegen die Korruption im eigenen Land - und zum ersten Mal gegen Yassir Arafat. Tausende marschierten an diesem Wochenende und sie werfen ihrem Präsidenten vor, seine Macht über Jahre durch ein korruptes System gestützt zu haben. Selbst militante Gruppen, wie Arafats Al‘ Fatah und die Al Aqsa-Märtyrerbrigaden machen Druck gegen ihren Gönner, jetzt auch durch Geiselnahmen. Unverhüllt ihre Drohung: Arafat soll das gestohlene Geld an sein Volk zurückzugeben: Ein militanter Arafat-Kritiker sagt:
„In den letzten Jahren hat sich unter einigen Anführern der palästinensischen Behörden Korruption verbreitet, das versuchen wir zu ändern."
Ein Bild aus besseren Tagen: Arafat ganz oben. Doch das Denkmal wankt. Gefahr droht von allen Seiten - jetzt auch aus London. Hier findet report München einen Insider, der weiß, wie der Palästinenserpräsident Milliarden an seinem Volk vorbeischleuste und mißbrauchte. In einer der nobelsten Gegenden in der Nähe des Hyde-Parks lebt ein Mann, der zwölf Jahre lang die Finanzströme von Arafats PLO steuerte. Jawid Al`Ghussein war Schatzmeister der Palästinenserorganisation und kämpfte immer wieder gegen die Korruption in den eigenen Reihen. Zum Dank stellte Arafat ihn in Gaza unter Hausarrest. Nach internationalen politischen Protesten durfte er erst vor zwei Jahren ausreisen. Das Ende einer Partnerschaft: Al`Ghussein will Arafat verklagen und packt erstmals aus - gegenüber report München.
Der Ex-PLO-Finanzchef Jawid Al'Ghussein erzählt über Jassir Arafat:
"Er hat überall auf der Welt Konten. Er stellte sicher, dass niemand wußte, wo das Geld ist. Er hat die Strukturen miteinander verwoben, niemand kannte das Gesamtbild. Es haben etwa 12 verschiedene Finanztöpfe existiert. Viele der Leute, die in der PLO in Schlüsselpositionen arbeiteten, haben ihre Tasche mit Geld vollgestopft und sind Multimillionäre geworden. Manche wurden sehr reich, extrem reich."
Wie man als Führungskader der Palästinenser extrem reich werden kann, deckte report München bereits am 7.Juni auf: Steuereinnahmen, Zölle und Hilfsgelder werden über ein Geflecht internationaler Briefkastenfirmen und geheime Bankkonten in aller Welt verschoben - rund eine Milliarde Dollar innerhalb von nur fünf Jahren. Über eine Schweizer Privatbank wandern so 65 Millionen US-Dollar nach England - bis sie in dunklen Kanälen verschwinden. Möglich ist daher auch, dass EU-Gelder für die notleidenden Palästinenser auf den Konten von Arafats Bombenbauern landeten. Der CDU-Europaabgeordnete Armin Laschet sagt hierzu:
"Die Begründung der Aussenminister, als sie dies beschlossen haben, war, die Palästinensische Autonomiebehörde bricht zusammen, es bricht der Notstand aus. Aber wenn man heute Belege dafür sieht, dass hunderte Millionen verschwunden sind, dass Korruption herrscht und dass Arafat sich auch persönlich dort bedient hat, muß man diese Gelder in dieser Größenordnung in Frage stellen. Wenn Geld da ist, egal ob es mißbraucht wird oder nicht, muß nicht der europäische Steuerzahler zusätzliches Geld in ein Faß ohne Boden geben."
Aus den internationalen Hilfsgeldern finanzierte Arafat auch die Verteidiger seiner Macht: die Al`Aqsa-Märtyrerbrigaden, die sich nun plötzlich gegen ihn erheben. Zahlreiche Dokumente, die report München vorliegen, belegen den enormen Finanzbedarf seiner Terrorgruppen. In einem Dokument fordern die Martyrerbrigaden - diesmal zum Bau von Granaten - 80 000 Dollar an. Geld gab es auch für die Anleitung zum Bau von Sprenggürteln, wie ein wohl erstmals ausgestrahlte Demonstrationsvideo zeigt, und zur Unterstützung für die Familien der Selbstmordattentäter. Blutige Realität. Am 19. August 2003 reißt ein Selbstmordattentäter bei einem Anschlag in einem Bus in Jerusalem 20 Menschen mit in den Tod. Unter den Opfern ist auch eine amerikanische Touristenfamilie, deren zweijährige Tochter von der Bombe zerfetzt wurde. Jetzt klagt der New Yorker Rechtsanwalt Gary Osen im Auftrag von Überlebenden und Angehörigen von Terroropfern. Teil des brutalen Netzwerks ist für Osen die Arab-Bank. Sein Vorwurf: Geldwäsche für militante Palästinenser. Barauszahlung hier bei der Bank in Gaza und im Westjordanland. Gary Osen bezeichnet den Grund der Anklage:
"Unsere Hauptanklage gegen die Arab-Bank ist, dass Spendengelder aus den Golfstaaten und Saudi-Arabien an Hamas und andere Terrororganisationen in die Palästinensergebiete geschleust werden. Damit besteht eine eindeutige Verbindung zur Finanzierung von Terrorakten in Israel in den Palästinensergebieten."
Auch der Palästinenserpräsident nutzte den diskreten Service der Arab Bank, die weltweit über Filialen verfügt. Mit Bankbelegen, die report München exklusiv vorliegen, eröffnet Arafat am 30.Dezember 2001 ein persönliches Konto in Kairo. Bescheidene Ersteinzahlung: 5,1 Mio. Dollar. Seine Unterschrift dokumentiert: nur er selbst kann über die Millionen verfügen. Gary Osen erklärt:
"Im Prinzip funktioniert es so: Das Geld wird in Saudi-Arabien in der Landeswährung gesammelt, dann an die Arab Bank überwiesen, wo es in US Dollar umgetauscht wird. Dann wird das Geld in die Westbank und den Gaza-Streifen geleitet. Dort werden Konten für die Angehörigen von sogenannten Märtyrern eröffnet."
Diese Informationen verfolgt in London Jawid Al'Ghussein, der wichtigste Kronzeuge gegen Arafat mit großem Interesse:
"Arafat verfügt über alle Konten der Al'Fatah und der PLO. Er ist der einzige der weiß, wo das Geld ist."
Noch schützt das Schweizer Bankgeheimnis Yassir Arafat, der nach Darstellung seines einstigen Finanzchefs ein millionenschweres Vermögen bei der Arab-Bank in Genf und vor allem in Zürich deponiert hat. Jawid Al'Ghussein erzählt:
"Die Kontonummer war "1000 P". Monatlich überwiesen wir Geld an verschiedene Begünstigte. Yassir Arafat beanspruchte sieben Mio. Dollar für seine Armee und dreieinviertel Millionen Dollar für die Märtyrerfamilien".
Was der Bundesnachrichtendienst bereits über Arafat gewußt haben muß, spielte offenbar für Bundeskanzler Schröder im März 2000 keine Rolle, als er den Friedensnobelpreisträger empfing. Für wen Arafat damals wirklich Geld sammelte, interessiert bis heute weder die Bundesregierung noch die
EU-Kommission besonders. Und so kämpfen palästinensische Terrorgruppen möglicherweise auch mit Geldern aus Europa weiter. Vor diesem Hintergrund sind die EU-Zahlungen für Arafat äußerst fragwürdig. Jüngstes Attentat, mitten in Tel Aviv. Opfer der Bombe: eine Israelin. Und wieder sprechen Arafats Al`Aqsa-Brigaden von einem Vergeltungsschlag gegen die Politik des jüdischen Staates: "Wir können an jedem Ort in Israel zuschlagen!", prahlt ein Terrorist.
Seit diesem Wochenende muß Arafat nun befürchten, dass er und sein korruptes System zu Zielscheiben der eigenen Terrorbrigaden werden.