Ermittlungen gegen Arafat - Wohin flossen die EU-Gelder?
Bayerischer Rundfunk
report MÜNCHEN
Sendung vom 06.09.2004
Ermittlungen gegen Arafat - Wohin flossen die EU-Gelder?
Autoren: Klaus Wiendl, Stefan Zanev, Oliver Bendixen und Özlem Özgürgil
Eine Wohnung in Ramallah: zerschossene Fenster, Blut auf dem Boden. Tatort eines palästinensischen Killerkommandos. Am 21. Juli sollte hier ein Kritiker Arafats mundtot gemacht werden. Sein Name: Nabil Amr. Inzwischen mußte dem palästinensischen Abgeordneten der rechte Fuß amputiert werden. Nun liegt der ehemalige Informationsminister zur Nachbehandlung in einer Münchner Klinik. Das Attentat war nicht der erste Anschlag auf den Oppositionellen. Und dennoch läßt sich Nabil Amr nicht einschüchtern:
„Aber das hindert mich nicht, in meiner Rolle fortzufahren: als Abgeordneter, als Mitbürger und als Mensch, der ernsthaftere Reformen für die palästinensische Gesellschaft fordert.“
Ernst wird es auch auf den Straßen in den Palästinenser-gebieten: im Juli demonstrierten zum ersten mal Tausende - sogar Arafats Al Fatah und deren Al-Aksa-Brigaden - gegen Korruption und Vetternwirtschaft - und gegen ihren eigenen Kommandeur .“Gib das gestohlene Geld an Dein Volk zurück!" skandierten sie. Sie selbst haben mit diesem Geld aus Arafats Kassen jahrelang ihre Anschläge gegen Israel finanziert.
Mit Hilfsgeldern, Steuern und Firmengewinnen hat der Friedensnobelpreisträger ein Geflecht persönlicher Abhängigkeiten geschaffen, dessen Günstlinge sich nun gegen Arafat erheben. Die Schecks für die Terrororganisationen kamen direkt aus Arafats Präsidentenbüro. Schließlich konnte der PLO-Chef monatlich unkontrolliert über Millionen aus seinem offiziellen Etat verfügen. Dieser Bericht des Finanzministeriums weist alleine für den Juli 2003 umgerechnet etwa sieben Millionen US-Dollar.
Terroristen aus Arafats Al Fatah bomben weiter - mitten in Tel Aviv. Die ferngesteuerte Bombe tötet eine israelische Soldatin - 30 Menschen werden verletzt. Ein Friedens-nobelpreisträger als Kriegsherr. So sieht ihn auch Matthew Levitt, Ex-FBI-Agent und Terrorismusexperte des Washington-Instituts für Nah-Ost-Politik.
„Er hat Kommandos der Al-Aksa-Brigaden bezahlt, Selbstmordattentäter der Hamas und des Islamischen Dschihad, dazu bestimmte Generäle der Palästinenser-Polizei. Da geht es um gewaltige Summen. Und solange Arafat dieses Geld kontrollieren kann, kontrolliert er auch den Terror.“
Und so nutzt Arafat auch die Gewinne diverser Firmen in den Palästinenser-Gebieten. Einnahmen von Energieunternehmen, Treibstoffirmen und der Zementindustrie, die zwar der Autonomiebehörde unterstehen - sich aber der Kontrolle durch das Finanzministerium komplett entziehen. Millionen werden so am offiziellen Etat vorbeigeschleust. Kein Geheimnis in den Führungskreisen der Palästinenser, wie der Minister und Arafat-Kritiker Rafiq Natshe in Ramallah gegenüber report München bestätigt.
„Es gibt eine Gas-Gesellschaft, die ihre Geschäfte nicht im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen betreibt. Hier werden Millionen US-Dollar veruntreut. Und diese Firma untersteht direkt dem Präsidenten. Es gibt Dutzende solcher Firmen, bei denen Millionen fließen.“
Millionen, von denen das notleidende palästinensische Volk nichts sieht. Während den Menschen bis heute das Nötigste zum Überleben fehlt, füllen Arafats Gefolgsleute die eigenen Taschen und die Kassen der Terrorbrigaden. Und so muß immer wieder auch die EU mit Hilfsgeldern einspringen.
Kein Wunder, daß Miguel Moratinos, der EU-Nahost-Beauftragte, stets ein gern gesehener Gast bei Arafat war.
Zwei Jahre lang überwies die EU monatlich 10 Millionen Euro als direkte Finanzhilfe, über welche die Palästinenser-Behörde unkontrolliert verfügen konnte - zusammen 246 Millionen.
Dokumente, die einen Zusammenhang mit der Finanzierung des Terrors nahelegen, ignorierten EU-Parlament und -Kommission ebenso, wie Hinweise auf die ausufernde Korruption in der Palästinenser-Verwaltung: im April 2004 wurden trotz warnender Stimmen einiger Abgeordneter erneut 50 Millionen US-Dollar bewilligt. Brüssel entscheidet in einer Woche, ob die nächsten 50 Millionen für Arafat eingefroren oder genehmigt werden. Kritische Stimmen wie die des CDU Europa-Parlamentariers Armin Laschet werden immer lauter:
„Korruption in der palästinensischen Autonomiebehörde. Wir erleben in den letzten Wochen zunehmend Aktivitäten unter unseren Kollegen im palästinensischen Parlament, die plötzlich Resolutionen machen, Ausschüsse einsetzen und sagen: wir wollen, dass die Korruption aufhört von Präsident Arafat ausgeübt wird, am Parlament vorbei, am Premierminister vorbei, an allen verantwortlichen Stellen vorbei. Und wenn es unter den Kollegen im palästinensischen Parlament jetzt solch eine Bewegung gibt, dann sollten wir die Reformkräfte von uns aus stärken und auch mit finanziellen Mitteln Druck machen. Denn wenn all die Berichte in den letzten Wochen stimmen, die zum Teil belegt worden sind, die auch in europäischen Zeitungen und Rundfunkanstalten zu sehen waren, dass beispielsweise der Finanzberater Arafats in London auspackt und offenbart, wo denn all das Geld hinverschoben ist, dann müssen wir sagen, wir wollen erst das auf dieses Geld zugegriffen wird, bevor europäisches Steuergeld dort verwendet wird.“
Bisher hatte der PLO-Chef allen Grund sich herzlichst zu bedanken - wie hier bei der damaligen EU-Ratspräsidentin.
Matthew Levitt kritisiert die EU deshalb scharf:
„Die EU hat ohne Kontrolle über die Verwendung einfach Geld in den allgemeinen Haushalt der Autonomiebehörde eingezahlt. Im Gegensatz dazu haben andere Staaten und Institutionen projektgebundene Programme gefördert, die sich leichter kontrollieren lassen.“
OLAF - der Antibetrugsbehörde der EU in Brüssel - liegen seit eineinhalb Jahren brisante Dokumente und Aussagen vor. Doch wie umfassend waren die Ermittlungen und Befragungen vor Ort? Verwirrung stiftete vor einem Monat eine OLAF-Pressemitteilung zu einem längst überholten Zwischenbericht vom März. Eine Steilvorlage für viele Journalisten Arafat zu entlasten. report München fragt beim Generaldirektor der EU Anti-Betrugsbehörde OLAF nach:
„Heißt das, dass Arafat ein Persilschein ausgestellt wurde?“
Hermann Brüner antwortet:
„Wir haben die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen, deshalb kann zu keiner Seite irgendwelche Äußerungen über Belastungen, Entlastungen oder ähnliches gemacht werden. Welche Art von Untersuchungen es konkret noch weiter geben wird, möchte ich auch aus Sicherheitsgründen nicht weiter ausführen. Es wird weitere Untersuchungen geben, denn eine abschließende Bewertung kann nur gegeben werden, wenn wir das Gefühl haben, dass das was zu ermitteln ist auch ermittelt worden ist.“
Jim Prince, hier links im Bild, wurde von OLAF-Ermittlern bisher nicht befragt. Und das, obwohl der amerikanische Wirtschaftsexperte wie kein anderer den Haushalt der Autonomiebehörde kennt. Ihn hatte der Palästinenser-Finanzminister Salam Fayyad selbst beauftragt, den Etat zu durchleuchten. Die festgestellten Unregelmäßigkeiten könnten Arafat ins politische Aus treiben.
Der PLO-Chef und seine Anhänger rufen in Sprechchören Millionen von Märtyrern dazu auf, nach Jerusalem zu ziehen.
Wie lange will die EU Arafat und sein Terrorregime mit dem Geld der europäischen Steuerzahler eigentlich noch an der Macht halten?