Deutschland im Visier - Die Finanzquellen der Islamisten
Bayerischer Rundfunk
report MÜNCHEN
Sendung vom 08.05.2006
Deutschland im Visier -
Die Finanzquellen der Islamisten
Autoren: Klaus Wiendl, Ahmet Senyurt und Oliver Bendixen
Tatort Luxemburg. In einer bisher einzigartigen und kaum bekannten Einbruchserie waren ausländische Vertretungen im Visier von kriminellen Banden. Im April 2000 wurden allein im portugiesischen Generalkonsulat 600 Blanko-Pässe und zahlreiche Visa gestohlen. Die Alarmleitungen zur Polizei und zu einem privaten Wachdienst wurden von den Profis aus der Unterwelt gekappt. Im Zeitraum von 1998 und 2002 wurde so gezielt in 11 ausländische Vertretungen eingebrochen. Darunter die von Schweden, Spanien, Österreich und Finnland. report München fragt Kristin Schmitt von der Polizei Luxemburg:
„Steht diese Serie im Zusammenhang mit der Organisierten Kriminalität?"
Antwort Kristin Schmitt: „Auf Grund der Professionalität dieser Einbrüche kann man davon ausgehen, es waren sehr gut geplante Einbrüche, sehr professionell durchgezogen. In kürzester Zeit wurden dort sehr viele Pässe entwendet. Und durch diesen großen Wert, der ein Pass auf dem Schwarzmarkt einbringt, kann man davon ausgehen, dass das gezielt gruppiert und organisiert war.“
Tausende von Ausweisdokumenten verschwanden hier – aber nicht spurlos. Gestohlene portugiesische Pässe wanderten von den organisierten Kriminellen direkt in islamitische Netzwerke. Auch zu einem Mann, dem in Berlin der Prozess gemacht wurde: Dem Tunesier hatte die Bundesanwaltschaft die Bildung einer terroristischen Vereinigung zur Last gelegt. Aber nur wegen illegalen Waffenbesitzes, Steuerhinterziehung und der Verwendung portugiesischer Ausweise wurde Ihsan Garnaoui verurteilt.
Eine direkte Spur von geklauten Pässen führt auch zum Top-Terroristen Abu Mussab al-Zarkawi. Er mimt nicht nur im neuesten Video den Feldherren, Sarkawi macht den Irak zum Schlachtfeld des internationalen Terrorismus. Nahezu täglich bombt er das Land tiefer in das Chaos. Weltweit gilt Zarqawi inzwischen als Staatsfeind Nummer eins. Über seine Terror-Zelle Al Tahwid hielt er auch enge Kontakte zu seinen Gefolgsleuten in Deutschland.
Er hat ihn im Visier: Guido Steinberg, ehemaliger Referent für Terrorismus im Kanzleramt, von der Stiftung Politik und Wissenschaft. Er kennt Zarqawis Spuren nach Deutschland:
„Zarqawi hat bereits 2002 versucht hier um eine Gruppe die sich Tahwid nannte, Anschläge auf jüdische und israelische Einrichtungen zu organisieren. In so fern muß man auch davon ausgehen, dass solche Planungen von Zarqawis Seite für Europa und für Deutschland insgesamt weiter geführt werden.“
Der Düsseldorfer Terrorprozess um die Al Tahwid-Zelle offenbarte bis dahin unbekannte Zweckbündnisse zwischen Berufsverbrechern und Islamisten. Zarqawis Statthalter, der vom nordrhein-westfälischen Beckum aus operierte, war der Palästinenser Abu Dhees. Er scharte eine Gruppe gewaltbereiter Extremisten um sich und war selbst bereit für den Märtyrertod. In dem vierjährigen Prozess wurde erkennbar: Al Tahwid finanzierte seine Terroraktivitäten auch mit Organisierter Kriminalität Dies belegen Abhörprotokolle, die report München vorliegen.
Dazu unterstützten die gewaltbereiten Islamisten den Dschihad mit Spendengeldern, die sie hier sammelten. Immer in enger Absprache mit Al Zarqawi, den sie sehnsüchtig in Deutschland erwarteten. Im Visier hatten die Angeklagten, die zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden, jüdische und israelische Einrichtungen in Düsseldorf und Berlin. Claudia Schmid vom Landesamt für Verfassungsschutz Berlin sagt:
„Al Tahwid hatte ein Ziel in Berlin im Auge, nämlich die jüdische Gemeinde. Die Finanzierung der Gruppe erfolgte durch allgemein kriminelle Aktivitäten, insbesondere auch Passfälschungen oder Beschaffung von Kreditkarten, durch Schleusungen von Ausländern“.
Einblicke in die Terror-Zelle erhielten die Fahnder durch den Insider Shadi Abdallah. In dem Al-Tawhid-Netzwerk war er nicht nur für den Transfer von Spendengeldern zuständig, sondern auch für die Beschaffung von Pässen und gefälschten Visa. Hier agieren Islamisten mit Kriminellen Hand in Hand. Im Auftrag von Al-Zarqawi sollte er insgesamt 110 Pässe aus Europa und Asien beschaffen. Dschihad-Kämpfer und deren Angehöre sollten damit aus Afghanistan in Sicherheit gebracht werden. Shadi Abdallah konnten die Ermittler als Kornzeugen in dem Terrorprozess gewinnen. In seiner Vernehmung gibt er zu für die Beschaffung von 70 Pässen 44.000 Euro kassiert zu haben. Geflossen sei ein Teil des Gelds aus dem Iran. Gefälschte Ausweise und neue Identitäten halfen bisher den Terroristen perfekt auch ihre Geldflüsse zu verschleiern. Uwe Dolata Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) erklärt:
“Oft ist es so, dass die Nachrichtendienste und die Polizei aneinander vorbeireden, wenn es darum geht, die Finanzströme zu betrachten, zu analysieren und auszuwerten. Auch Datenverbünde laufen noch lange nicht so zusammen, wie wir es uns an und für sich vorstellen.“
Razzien und Verfassungsschutzinformationen brachten bundesweit bisher 300 Islamisten in die „Gefährderdatei“. Ist damit die Gefahr von Anschlägen in Deutschland tatsächlich gebannt? Zwischen Geheimdiensten und Polizei wurden bisher Erkenntnisse zu wenig abgestimmt. Alles soll jetzt besser werden – mit der Anti-Terror-Datei. Der bayerische CSU-Innenminister Günther Beckstein sagt:
“Jede einzelne Behörde hat hervorragend gearbeitet, aber der Datenschutz hat dafür gesorgt, dass die Behördenerkenntnisse von der einen Behörde nicht an die andere Behörde weitergehen. Und wir müssen erkennen, dass wir im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus nicht verpflichten dürfen, sich gegenseitig dumm zu stellen. Alle Behörden müssen ihre Erkenntnisse zusammentragen, damit wir sehen, wenn ein großer Anschlag geplant wird, dass auf kleinen einzelnen Hinweisen ein Gesamtbild der großen Gefährdung entsteht, so dass wir die Gefährdung abstellen können.“
Islamisten bedienen sich krimineller Banden für den weltweiten Dschihad. Und die Anti-Terror-Datei ist ein Weg, sie zu bekämpfen. Aber erst ein europäischer Behördenverbund ist vielleicht einmal in der Lage, dem Terror-Netzwerk von Al-Zarqawi bei uns Paroli zu bieten.