Tödliche Geschäfte - Deutsche Technik für Irans Atomwaffenprogramm
Bayerischer Rundfunk
report MÜNCHEN
Sendung vom 21.02.2005
Tödliche Geschäfte -
Deutsche Technik für Irans Atomwaffenprogramm
Autoren: Klaus Wiendl, Rudolph Lambrecht und Özlem Özgürgil
Heiße Fracht für das Bundeskriminalamt. Erstmals ist das zu sehen, was hier in fünf Containern unter Verschluß ist:
Spezialrohre zur Urananreicherung, das Rüstzeug auch für die Atombombe. Die Geheimdienste beobachteten das deutsche Schiff mit seiner gefährlichen Ladung. Im Oktober 2003 wurde die Lieferung für Libyen aufgebracht. Dahinter stand eine Atom-Mafia, die das nukleare Feuer in Nordkorea, Libyen und vor allem im Iran schürt. Damit läuft im Nahen Osten ein verheerendes Wettrüsten an, das auch für Europa zur Bedrohung werden kann. Gerät die nukleare Rüstung außer Kontrolle? Die Mullahs im Teheraner Parlament setzen weiter auf Aggression. Alaoddin Borudscherdi, der Sprecher der konservativen Mehrheit, hinter dem die Mullahs stehen, sagt:
"Wir wollen auf unser Recht, die Voraussetzung zur Herstellung von Atomwaffen zu besitzen, nicht verzichten."
Diese Karte zeigt den Ausbau des iranischen Atomprogramms.
Die Anlage Parchin, vor allem aber Natanz, liegt im Visier der UNO-Inspektoren. Hier können die Iraner mit ihren Gaszentrifugen waffenfähiges Uran herstellen. Inzwischen wurde Natanz tief in den Untergrund verlegt. Diese Entwicklung ruft bei der UNO in Wien Mißtrauen hervor, denn der Iran soll über weitere unterirdische Labors verfügen, in denen sein Atomwaffenprogramm vorangetrieben wird. Melissa Fleming von der Internationalen Atomenergie Behörde Wien (IAEA), sagt:
"Eine Gefahr ist, dass sie dann wie in Nordkorea eines Tages entscheiden, unsere Inspektoren aus dem Land rauszuschmeißen und dann den Schritt machen Richtung Atomwaffen."
Diese Analyse passt zu den Auswertungen des Zollkriminalamts vom vergangenen November. Im Kapitel "Iran" warnen die Zollfahnder vor geheim gehaltenen Nuklearprogrammen, die dem „Bau einer Kernwaffe dienen können“. Eine beunruhigende Erkenntnis. Dies hat auch Generalbundesanwalt Kai Nehm alarmiert. Konfrontiert mit einem seit Jahren weltweit operierenden Netz von Briten, Franzosen, Pakistani, Türken, Malaien, Südafrikanern, Schweizern und Deutschen, schlug der Chefermittler zu. In der Schweiz ließ er den deutschen Ingenieur Gotthard Lerch verhaften. Der 62-jährige wurde im November im schweizer Grabs verhaftet. Er soll beim Bau von Gasultrazentrifugen geholfen haben, einer Schlüsseltechnik für die Bombe. Er gehörte zu dieser Mafia, die sowohl Libyen als den Iran belieferte. In seinem Haus ist er nicht anzutreffen. Er sitzt in Auslieferungshaft. Bei seinen Geschäften soll Lerch ca. 3 Millionen Euro kassiert haben. In Sax, unweit von Lerch's Domizil, finden wir die Spur von Urs Tinner. Auch er eine Figur im Atomgeschäft, das der Schweizer über ein undurchsichtiges Firmengeflecht betrieb. Dazu gehörte die Firma Traco, die Tinner für die Atommafia nutzte.
Wie in dieser Branche üblich: der wahre Bestimmungsort für diese Aluminiumrohre zur Urananreicherung ist verschleiert. Tinner wurde in Frankfurt verhaftet.
Bei der Urenco, einem europäischen Konzern zur Urananreicherung, hat der Skandal seinen Ursprung. Studenten aus vielen Ländern wurden hier in die Geheimnisse der Atomwissenschaft eingeweiht. Darunter war ein Pakistani. Sein Auftrag: seinem Land die Atombombe zu verschaffen. Abdul Qadeer Khan organisierte einen weltweiten Ring von Atomschmugglern, der Pakistan die Bombe verschaffte und die Atomprogramme in Nordkorea, Libyen und im Iran vorantrieb. Vor einem Jahr dann seine geheuchelte Entschuldigung vor der Weltöffentlichkeit. Bis heute sind die Zollfahnder mit der unverminderten Beschaffungskriminalität der Iraner konfrontiert. In internen Papieren, die report München vorliegen, werden die laufenden Ermittlungsverfahren gegen Irans Helfer aus Deutschland aufgelistet. In Stuttgart ging es um Halbleitermodule für Atomwaffen. In Berlin waren es Teile eines Ladekrans zum Wechseln von Brennelementen. Hier in der Marburgerstraße, in einem der besseren Viertel Berlins, tauchten die Ermittler vor kurzem mit einem Durchsuchungsbefehl auf. Ihr Ziel: die von Russen kontrollierte Firma VERO Handels GmbH. Die VERO hatte für dieses Geschäft im Wert von 500.000 Euro Partner in mehreren Bundesländern eingespannt. Benedikt Welfens von der Staatsanwaltschaft Potsdam sagt:
"Die Staatsanwaltschaft Potsdam, und zwar die Schwerpunktabteilung des Landes Brandenburg führt ein Ermittlungsverfahren gegen mehrere Firmen aus Sachsen-Anhalt und Berlin wegen des Vorwurfes des Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen handelt es sich um acht beschuldigte Personen, die diese Güter verbracht haben."
Frage report München: "Sind darunter auch Ausländer?"
Antwort Benedikt Welfens: "Es sind Ausländer darunter, das trifft zu. In diesem Fall mehrere russische Staatsbürger."
In Hannover, z.B., rückten die Zollfahnder im Januar bei der Fa. Helmke ein. Sie hatten einen Tipp von zwei Mitarbeitern bekommen, denen eine für Südkorea bestimmte Lieferung von Elektromotoren aufgefallen war. In Wirklichkeit aber sollten die Geräte über mehrere Länder in eine iranische Nuklearanlage geschleust werden. Wie meist in diesen Fällen: niemand wollte vor der Kamera Stellung nehmen. Der Bundesnachrichtendienst mit seinem Präsidenten August Hanning und die Ermittlungsbehörden gehen weiter davon aus, daß ein Schwerpunkt der Beschaffung für das iranische Atomprogramm in Europa liegt. Allein für Teheran waren 110 Organisationen tätig. Z.B. die DIO, ein staatliches iranisches Einkaufsbüro. Dieses Angebot an die DIO-Zentrale in Teheran kam schon 1991 von einer Firma aus Bayern. Es ging unter anderem um spezielle Hochtemperaturöfen, wie sie auch in der Nuklearindustrie gebraucht werden. Einmal mehr ein Hinweis darauf, daß der Iran schon lange insgeheim den Aufbau seines Atomprogramms betrieben hat. Als 2003 von der UNO waffenfähiges Uran entdeckt wurde, versuchte Teheran zur Beschwichtigung einen Schulterschluß mit Fischer und seinen Kollegen aus Frankreich und Großbritannien. Doch bald stellte sich heraus, daß das Mullah-Regimes das Spiel mit tricksen, tarnen, täuschen hervorragend beherrscht. Bis heute weiß noch keiner, wie die drohende iranische Nuklearaufrüstung zu stoppen ist. Stolz präsentieren die Militärs im September vergangenen Jahres, was sie schon haben. Und die europäischen Regierungen müssen jetzt hilflos zuschauen, nachdem sie jahrelang die Warnungen der Sicherheitsbehörden in den Wind schlugen. Der Handel mit dem Iran war ihnen wichtiger. Jetzt machen die Amerikaner Druck.