Agenten und Geheimdienste - Die dubiosen Kontakte der Susanne Osthoff
Bayerischer Rundfunk
report MÜNCHEN
Sendung vom 30.01.2006
Agenten und Geheimdienste -
Die dubiosen Kontakte der Susanne Osthoff
Autoren: Klaus Wiendl und Rudolf Lambrecht
Zitat Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 30. November 2005:
„Und es ist klar, die Bundesregierung und ich denke auch dieses Parlament – wir lassen uns nicht erpressen.“
Starke Worte. Denn im Irak, den Susanne Osthoff zu ihrer Wahlheimat gemacht hatte, bahnte sich nach report-Recherchen ein Desaster für die Bundesregierung an. Die Verhandlungen mit den Entführern führten zunächst zwei mit Frau Osthoff befreundete Agenten des BND, die voreilig Lösegeld angeboten hatten. Der nächste Fehler unterlief Susanne Osthoff, als sie die Geldzahlung im Stern-Interview öffentlich machte. Zitat:
„Die Entführer hatten ein Angebot von den Deutschen, die genaue Summe darf ich nicht sagen.“
Damit war die Zahlung von Lösegeld bestätigt, was der Krisenstab in Berlin vermeiden wollte. Nach report-Recherchen wurden nicht 5, sondern 4 Millionen Dollar bezahlt. Die Bundesregierung hatte sich erpressen lassen. Ein verheerendes Signal. Schon der Umgang mit den Verbrechern, von denen jetzt die beiden Leipziger Ingenieure gekidnappt wurden, ist dadurch komplizierter geworden. Auch wenn diesmal – anders als im Fall Osthoff - der Bundesnachrichtendienst nicht eingeschaltet wurde. Der BND hat in Bagdad seit vielen Jahren Mitarbeiter postiert, die Nachrichtenbeschaffung schon mal unter der Tarnung als „Bayerische Wirtschaftvertretung“ organisierten. In der Amtszeit von BND-Präsident August Hanning war Frau Osthoff bei den Nachrichtendienstlern ein gern gesehener Gast, von dem man viel erfahren konnte.
Zu einem der BND-Agenten hatte sie private Kontakte. Die Nacht vor der Entführung verbrachte sie in der Bagdader BND-Residenz bei Josef U. und Armin S.
Die beiden Agenten wurden inzwischen abgezogen. Was sie angerichtet haben, empört eine im Irak (Bagdad) arbeitende Deutsche, die sich bei report München beklagt:
„Die Zahlung des hohen Lösegeldes für die Freilassung von Susanne Osthoff war alles andere als hilfreich. Und es steht auch nicht fest, ob es tatsächlich nötig gewesen wäre. Die Zeitungen hier im Irak waren voll von dieser Meldung. Jeder weiß jetzt, dass er mit der Entführung eines Deutschen viel Geld machen kann. Hier wurde für eine Frau, die ohnehin den meisten als dubios erscheint, eine Summe bezahlt, die für die meisten Iraker unvorstellbar ist. Ich kann das stümperhafte Verhalten der Nachrichtendienstler im Umgang mit den Entführern nicht verstehen. Im Orient feilscht man und akzeptiert nicht jede Forderung. Das hat uns alle, die wir noch im Irak leben, in unabsehbare Gefahren gebracht.“
Deutschland pflegt seit Jahrzehnten freundschaftliche Beziehungen zum Irak. Der BND war Partner des irakischen Geheimdienstes, der in Pullach unter dem Decknamen „Krokodil“ geführt wurde. Die Deutschen hatten ein großes Informantennetz. Reiner M. und Volker H. waren die beiden BND-Leute, die sogar den Amerikanern im Krieg Daten geliefert haben sollen. Der BND-Experte Erich Schmidt-Eenboom sagt:
„Bis zum Sturz Saddams Husseins gab es eine sehr enge Kooperation zwischen dem BND und dem irakischen Militärgeheimdienst. Eingefädelt hat das Ende der 1970er Jahre der damalige BND-Präsident Klaus Kinkel. Und von da an gab es einen regen nachrichtendienstlichen Informationsaustausch, die Lieferung von nachrichtendienstlicher Technik aus der Bundesrepublik nach Bagdad, Rüstungsexporte und polizeiliche Kooperation.“
Eine schillernde Figur, wie Susanne Osthoff, die auch eine Kalaschnikow nicht schreckt, und arabisch spricht, findet in der orientalischen Männerwelt leicht Zugang zu Stammensführern, die im Irak das Sagen haben. Sie heiratete einen Iraker und konvertierte zum Islam. Als Archäologin tauchte sie Mitte der achtziger Jahre erstmals bei Ausgrabungen im Irak auf. BND-Experte Erich Schmidt-Eenboom sagt hierzu:
„Im Krisengebieten wie dem Irak setzt der Bundesnachrichtendienst vielfach auf Reisequellen, darunter Geologen oder Archäologen. Die können sich unverdächtig bewegen, kennen die Sprache und Mentalität des Landes. Und gerade Archäologen müssen häufig genug vor Ort mit regionalen Machthabern Absprachen zur Sicherung ihrer Grabungen führen. Die dabei gewonnenen Eindrücke unterwegs, aber auch die Ergebnisse aus den Gesprächen geben dem Bundesnachrichtendienst wichtige Mosaiksteine für sein Lagebild, gerade für Gebiete, wohin sich BND-Mitarbeiter selbst nicht vorwagen können.“
Bei Beckmann in der ARD begeht Susanne Osthoff einen weiteren Fehler: sie selbst outet ihre BND-Verbindung. Völlig konfus verlangt sie einerseits Schutz durch den BND, andererseits versucht sie, ihre Kontakte herunterzuspielen.
Frage Reinhold Beckmann: „Sie haben nie für den BND gearbeitet?“
Antwort Susanne Osthoff: „Das interpretieren Sie jetzt wieder so. Ich habe, was ich Ihnen gerade gesagt habe: Der Bundesnachrichtendienst würde sich in dieser Lage äußerst schlecht darstellen, wenn er ein Geiselopfer mit so einem Stigma versehen würde, zumal ich eigentlich Schutz bräuchte.“
In Berlin treffen wir Rolfeckhard Giermann, Ex-Handelsattaché an der DDR-Botschaft in Bagdad, der Susanne Osthoff im Irak kennenlernte. Über ihre Treffen mit den BND-Leuten sagt der Geschäftsmann:
„Wenn diejenigen, bei denen sie dort zum Bier saß, nicht die Allerdümmsten waren, dann haben die sicher aus den Gesprächen mit ihr die eine oder andere Information geholt.
Sicher hat sie sich über das, was ihr begegnet ist im Land, was auch interessant sein könnte aus sicherheitspolitischer Sicht, aus Interessen von der deutschen Seite her, dieses weitergegeben.“
Zitat Susanne Osthoff bei „Beckmann“ am 9. Januar 2006:
„In früherer Zeit, ich weiß genau, wann ich die Leute zum ersten Mal traf. Die haben sich mit natürlich nicht als BND-Mitarbeiter zu erkennen gegeben, sondern als Diplomaten natürlich. Ich habe mich natürlich erkundigt beim Botschafter persönlich, wer diese Leute überhaupt sind. Denn die hatten mich privat mal besucht.“
Als Susanne Osthoff entführt wurde, stand sie im Dienst der Deutschen Botschaft. Sie leitete die Restaurierung einer Karawanserei in Mosul, die von der Bundesrepublik mit 43000 Dollar gefördert wird. Niemand verhinderte ihre lebensgefährliche Autofahrt in den Nordirak. Die BND-Vertreter in Bagdad aber wussten Bescheid. Einem von ihnen hatte sie noch einen Zettel mit der Autonummer und dem Namen des Fahrers zugesteckt.
Der Fall Osthoff ist untypisch: Es gibt keine Gruppierung, die sich zu dem Verbrechen bekannt hat. Aber es handelte sich um Leute, die genau wussten, wer Frau Osthoff war, sogar den Titel ihrer Magisterarbeit kannten. Kriminelle oder Islamisten interessieren sich dafür nicht. Handelte es sich um marodierende Mitarbeiter des alten irakischen Geheimdienstes, die sich im BND-Milieu bestens auskennen? Daß sie der abenteuerlustigen Osthoff nach report-Recherchen vor der Freilassung noch 1000 Dollar als Kompensation für die schlechte Behandlung zusteckten, könnte man solchen Profis zutrauen.