Millionengeschäfte mit Zwangsprostitution - Das europaweite Netzwerk der Bordellmafia
Bayerischer Rundfunk
report MÜNCHEN
Sendung vom 09.01.2006
Millionengeschäfte mit Zwangsprostitution -
Das europaweite Netzwerk der Bordellmafia
Autoren: Klaus Wiendl und Oliver Bendixen
Wer die Frauen hat, hat die Macht im Rotlichtmilieu. Mit ihnen werden jede Nacht in Bordellen Millionen umgesetzt. Doch welcher Freier weiß schon, wie die Frauen gefügig gemacht werden. Uns wird ständig gedroht, berichtet eine Prostituierte, die anonym bleiben will:
„Wenn wir nicht Tag und Nacht zur Verfügung stehen, fliegen wir raus. Ständig wird uns auch mit Strafen gedroht, z.B. wenn wir uns ein Handtuch umwickeln, kostet es 10 Euro Strafe. Nach draußen telefonieren dürfen wir auch nicht. Und den Mega-Service, den Verkehr ohne Kondom, müssen wir auch machen. Mir fällt auf, dass viele türkische Frauen hier arbeiten.“
Sie arbeitet für eine türkischen Gang, die in Köln seit Jahren um die Vorherrschaft in der Disco-Türsteherszene kämpft. Denn am Eingang wird entschieden, was drinnen abläuft. Die Türsteher sollen junge Frauen umgarnen, um sie möglichst bald in die Prostitution zu bringen. Um diese Schlüsselpositionen kämpfen die Gangs seit Jahren. Mit ständigen Razzien versucht die Kölner Polizei diesen Sumpf der Organisierten Kriminalität auszutrocknen. Nicht ohne Erfolg. Dennoch gelingt es der Szene, so die Recherchen von report München, ihr Netz mit Strohleuten über das Bundesgebiet auszubreiten. Rolf Rainer Jäger vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BdK) sagt:
„Es gibt eindeutige Erkenntnisse, dass hier auch ethnisch abgeschottete Strukturen arbeiten. Dass es Türken-gruppierungen gibt, aber auch Gruppierungen von Straftätern aus Südosteuropa, aus Osteuropa, die ihre Positionen in dieser Kriminalitätslandschaft durch sehr rücksichtslose und brutale Vorgehensweisen durchsetzen, das ist das Mittel, mit dem sie sich Respekt einflössen. Und wenn hier die Polizei nicht funktioniert und endlich auch einen deutlichen Schwerpunkt in der Bekämpfung dieser Kriminalität setzt, werden sie mit ihrer Brutalität nur weitere „Triumphe“ feiern. Dies dürfen wir nicht zulassen.“
Es ist ein zäher Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Denn die Gangs fackeln nicht lange: sie schießen die Konkurrenz mit Waffengewalt aus dem Feld – auf Weisung der Bosse, denen die Mordaufträge aber nur schwer nachzuweisen sind. Bei den Prozessen gegen die türkischen Mafiapaten vor dem Kölner Landgericht, das an den Verhandlungstagen einer Festung gleicht, kommt die ganze Brutalität ans Tageslicht. Mit seinen Vertretern stand der „General der Kölsch-Türken“, Necati Arabaci – genannt „Neco“ - vor Gericht. Als Rädelsführer einer kriminellen Vereinigung wurde er für neun Jahre ins Gefängnis geschickt. Jetzt droht ihm auch noch eine anschließende Sicherungsverwahrung, weil er aus der Zelle die Ermordung eines Konkurrenten und des ermittelnden Staatsanwalts ankündigte. Der hatte Arabaci wegen Menschenhandel, Zuhälterei, Erpressung, Freiheitsberaubung und Drogenhandel angeklagt.
Frage report München: "Betreibt er (Neco) denn aus der Zelle heraus noch sein Geschäft?"
Antwort Thomas Schulz von der Kriminalpolizei Köln: „Das kann man eindeutig mit Ja beantworten, zumindest nach den Erkenntnissen unserer Ermittlungen. Im Rahmen einer Bedrohungslage des Sachbearbeitenden Staatsanwaltes hatten wir verdeckte Ermittlungen durchgeführt und konnten feststellen, dass er im Prinzip das gleiche Geschäft, nämlich das Betreiben von Bordellen, das Zuführen von Frauen, aber auch das Stellen von Security über Strohleute, über seine Gewährsleute aus dem Gefängnis heraus betrieben hat.“
Die als FKK-Clubs getarnten Luxusbordelle Babylon bei Köln und Wiago in Leverkusen sind die Keimzelle des Machtzentrums von Necati Arabaci, der nach Erkenntnissen der Kripo weiter an den Einnahmen beteiligt ist. Die Geschäftsidee ist einfach: mehrere hundert Prostituierte werden permanent durch die Etablissements geschleust, die nach außen proper den Behörden keinen Angriffspunkt bieten sollen. Strohmann für Arabaci ist der Kölner Olaf R, der vielfach als Gesellschafter der Bordelle auftaucht. Günther Feld von der Staatsanwaltschaft Köln sagt:
„Es gibt einen landgerichtlichen Beschluss, in dem festgehalten ist, dass dieser Olaf R. Strohmann für den bereits verurteilten Arabaci war und auch weiterhin ist. Das betrifft Bordellbetriebe in Köln über Augsburg bis Mallorca.“
Arabacis Imperium: über den Kölner Strohmann und örtliche Rotlichtgrößen werden immer neue Bordelle eröffnet - zuletzt in Ulm. Alleine das Augsburger Colosseum bringt den Betreibern geschätzt über 100 000 Euro im Monat ein. Werbung im Internet für das menschenverachtende Geschäft mit der Ware Frau. Schon vor der Eröffnung des Colosseums hatte die Kripo die türkischen Hintermänner ermittelt. Aber sie rätselt noch immer, woher die Millionen für die Investitionen stammen. Klaus Bayerl von der Kriminalpolizei Augsburg sagt:
„In der Tat haben wir in Augsburg eine neue Form der Bordellbetriebe, die jetzt auch bundesweit erkennbar sind. Die weitgehendst unter dem Begriff FKK-Club firmieren, mit einem neuen Marketing-Konzept. Wir haben diese Bordellbetriebe sehr genau beobachtet, haben auch Ermittlungsverfahren geführt und haben auch festgestellt, dass letztlich hinter diesen, in Augsburg befindlichen Bordellbetrieb Personen aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität in Köln stehen.“
Bis nach Mallorca verschoben Arabaci und seine Gefolgsleute die Prostituierten. Nur ein paar Kilometer vom Ballermann-Strand entfernt stiegen sie im Rotlichtviertel an der Plaza Gomila in das Geschäft mit dem Sex ein. Rikis Tabledance Bar: diesmal eine Fehlinvestition. Ein Flop, sie wird geschlossen. Dabei hatte man auf Mallorca Großes vor: mit der Agentur Sirius aus Jade war die Vermittlung von 40 sogenannten Tänzerinnen aus Osteuropa vereinbart worden. Dieser Vertrag über 36000 Euro regelt die Übernahme der Reisekosten - und das Casting der Prostituierten in einer ukrainischen Disco. Wörtlich ist von Selektion die Rede. Und wieder haben Arabaci –alias Neco – und sein deutscher Strohmann Olaf die Hände mit im Spiel. Ein eigener Sicherheitsdienst sorgt für das richtige Drohpotential – auch mit Rockern der berüchtigten Hells Angels, denen seit Jahren Verbindungen zur Organisierten Kriminalität nachgesagt werden.
Der türkische Kiez an der Kölner Kolbstraße. Vor diesem Salon explodierte im Juni 2004 eine Nagelbombe. Auf dem Friseurstuhl saß zum Zeitpunkt der Detonation einer von Arabacis Soldaten – wie früher sein Boss. Ob seiner Truppe das Attentat galt, das 22 Verletzte forderte, wird von der Kölner Soko „Sprengstoff“ untersucht. Für die Polizei ein weiteres Indiz, wie rasch auch Unbeteiligte Opfer in diesem Rotlichtkrieg werden können.